11. November 2016


Das Zimmer meines Kindes: INIA

von Luise Langwald

Ich habe meine Tochter Inia 2011 verloren. Sie starb im Alter von nur 18 Monaten sehr plötzlich und unerwartet am Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom.* 

 

Ich bin in dieser Nacht nicht mehr aus dem Krankenhaus in unsere Wohnung zurückgekehrt. Ich konnte es nicht. Inias Zimmer habe ich nach ihrem Tod nur noch ein einziges Mal betreten – als es ausgeräumt wurde. 

Das Bild im Schlafzimmer von Luise. Ihre Schwester hat es ihr 2011 zu Weihnachten geschenkt. Gemalt hatte es ein Arbeitskollege von ihr.
Das Bild im Schlafzimmer von Luise. Ihre Schwester hat es ihr 2011 zu Weihnachten geschenkt. Gemalt hatte es ein Arbeitskollege von ihr.

Mein kleiner Sohn Emil, damals 4 Jahre alt, und ich blieben zunächst bei meinen Eltern. Drei Monate lang haben wir dort gewohnt, bis wir umziehen konnten: in eine andere Wohnung, in eine andere Stadt. Es war ein radikaler Schnitt. Ich hätte es nicht aushalten können, in unser altes Zuhause zurückzukehren. Doch manchmal träume ich von diesem alten Zimmer. Es war ein schönes Zimmer, unterm Dach, mit Holzbalken und einem eingebauten Hochbett. Ich sehe es noch klar und deutlich vor mir. 

Nun leben wir seit fünf Jahren in der neuen Wohnung. Einige von Inias Spielsachen sind noch in Emils Zimmer zu finden, etwa ihr Kuscheltier, ein blaues Nilpferd. Manchmal höre ich, wie er mit dem Nilpferd spricht und ihm anvertraut, was er so angestellt hat. Sein „Telefon“ zu Inia, denke ich mir dann. Ein paar besonders wertvolle Schätze liegen in unserem „Zeitreise-Koffer“, der im Wohnzimmer steht: Fotos, die Abdrücke von Inias Händen und Füßen, Karten, Spielzeug. Emil tut gern Dinge hinein, von denen er denkt, dass sie Inia auch gefallen würden. 

Im Schlafzimmer habe ich eine Kiste, in der ich ihre letzten Anziehsachen aufbewahre: ihren rosa Winteranzug, einen kleinen Body, ihren Schnuller. Am Anfang roch alles noch nach ihr, mittlerweile ist der Geruch verflogen und ich schaue mir die Dinge nicht mehr so oft an.

Bis heute habe ich es nicht bereut, dass ich nicht mehr zurück gegangen bin. Im Gegenteil. Für mich war dies die beste Entscheidung. Es hat mich in meiner Trauerarbeit schneller auf einen guten Weg gebracht, so dass ich heute mit weniger Schmerz, jedoch sehr bewegt an unsere Zeit damals zurück denke. Aber ich erinnere mich gern an dieses Zimmer, auch wenn das Kinderlachen dahin nicht mehr zurückkehrt …

Luise Langwald (27) lebt mit ihrem Sohn in der Nähe von Zwickau. 

* Anm.: Das Waterhouse-Friderichsen-Syndrom kann bei schweren bakteriellen Infektionen durch zum Beispiel Meningokokken, Haemophilus influenzae oder Pneumokokken auftreten und betrifft meist Kinder und junge Erwachsene. Es führt über plötzliche Durchblutungsstörungen der Nebennieren zu einem Multiorganversagen und ist auch bei sofortiger intensivmedizinischer Behandlung in bis zu 95% der Fälle tödlich. Unbehandelt ist es immer tödlich. (Quellen: wikipedia, www.internisten-im-netz.de)

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