30. Dezember 2014


Mit dem Tod des Kindes stirbt die Zukunft

von Astrid Burkhardt

(Interview zum Thema "Abschied")

 

Teil 1: Ich spürte, dass etwas ganz Schlimmes passiert war


Unser Sohn Jacob starb am 30. September 2011, vier Wochen vor seinem

24. Geburtstag.


Am 29. September 2011 um 18:53 Uhr hatte er einen Verkehrsunfall mit seinem Fahrrad. Der Fahrer eines linksabbiegenden PKW hatte ihn übersehen. Jacob sah den PKW auf sich zu kommen und machte eine Vollbremsung, woraufhin das Vorderrad blockierte und er über den Lenker seines Fahrrades stürzte. Er kam mit dem Kopf zuerst auf dem Asphalt auf. Durch diese starke Bremsung verhinderte er den Zusammenstoß mit dem PKW. Dem Autofahrer, dem PKW und dem Fahrrad ist nichts passiert. Jacobs Fahrrad hatte nicht mal eine Schramme! Jacob aber hatte schwerste Kopfverletzungen, ein multiples Schädel-Hirn-Trauma, an deren Folge er einen Tag später starb.

Wir, seine Eltern und seine Schwester, saßen zu der Zeit gemeinsam am Tisch und aßen. Niemand von uns hatte etwas gespürt in diesem Moment. Ich dachte immer, dass eine Mutter das doch merken müsse, wenn so etwas passiert?!

Als wir mit dem Essen fertig waren, klingelte das Handy unserer Tochter Franzy. Jacobs Bild erschien groß auf dem Display. Sie ging nicht ran, weil sie meinte, er müsse doch erst auflegen, damit sie zurückrufen kann. So hatten sie es immer gemacht. Aber es wurde nicht aufgelegt. Also ging Franzy ran. Eine Frauenstimme sagte, sie rufe vom Handy eines jungen Mannes an, der ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Es wurde gefragt, ob sie wisse, wer das sei. Franzy sagte "Das ist mein Bruder." Die fremde Frau fragte nach Jacobs Namen, nach seinem Alter und ob er Allergiker sei oder Medikamente nähme. Franzy fragte, ob er denn nicht ansprechbar sei. Die Antwort "Nein." Die Frau nannte uns die Adresse des Krankenhauses und die Station und sagte, wir sollen kommen. sagte, dass er schwerste Kopfverletzungen habe, dass ein Ganzkörper-CT gemacht wurde und dass er jetzt operiert würde.


Es war die Nachricht, dass der Unfall passierte. Zu diesem Zeitpunkt kämpften die Ärzte noch um Jacobs Leben. Trotzdem blieb für uns die Welt stehen. "Schwerste Kopfverletzungen" – diese Aussage machte nicht gerade Mut.


Woran erinnere ich mich? Mir wurde ganz schlecht, ich rief laut Jacobs Namen. Mein Mann sagte "Bleib doch erst mal ruhig, wir wissen doch gar nicht was ist." Aber ich glaube, in dem Moment hatte ich dann doch gespürt, dass etwas ganz Schlimmes passiert ist, dass es nicht gut aussieht.


Wir beschlossen dann ein Taxi zu rufen und nicht mit dem Auto nach Berlin zu fahren. Es wurde die längste Taxifahrt meines Lebens, während der ich versuchte, Jacobs Freundin und seine Mitbewohner zu erreichen. Sein Mitbewohner sagte mir dann, dass er morgens mit dem Rad losgefahren sei. Also war es wohl ein Unfall mit dem Fahrrad?! Bis dahin wussten wir das ja nicht. Jacobs Freundin erreichte ich lange nicht. Als ich sie am Telefon hatte, sagte ich ihr, was passiert war und wo sie hinkommen soll. Sie sagte, dass das nicht sein könne, sie habe doch gerade mit Jacob telefoniert. Ein Hoffnungsfunken – eine Verwechslung? Hatte jemand anders Jacobs Handy? Aber es stellte sich heraus, dass dieses Telefonat schon über zwei Stunden her war und der Unfall 10 Minuten danach passierte...

Teil 2: Die Ärzte machten uns keine Hoffnung...

Als wir im Krankenhaus ankamen, wurde uns gesagt, dass Jacob noch im OP sei und wir auf dem Flur der Intensivstation warten könnten. Der Arzt konnte uns nichts weiter sagen. Wir wussten immer noch nicht genau, was passiert war. Man gab uns seine Sachen. Jacke und Rucksack zerschnitten und voller Blut. Die Jeans waren komplett längs aufgeschnitten, aber nicht blutig.


Jacobs Mitbewohner kamen, sein Cousin, seine Freundin, auch meine Schwester und ihr Mann kamen ins Krankenhaus. Seine Mitbewohner brachten Sachen für ihn – was man so im Krankenhaus braucht.


Es muss zwei oder drei Stunden gedauert haben, genau weiß es keiner von uns. Dann hieß es, er würde jetzt aus dem OP geholt. Man schob ihn in einem Bett an uns vorbei. Er sah so schlimm aus! Beide Augen dick angeschwollen und blutunterlaufen. Die Haare auf der rechten Seite abrasiert, eine große sterile Verbandsauflage auf dem Kopf. Der ganze Kopf war total verformt und angeschwollen.


Nachdem er in dem Zimmer der Intensivstation an die Geräte angeschlossen war, durften wir zu ihm. Sie sagten, sie hätten Jacob in ein tiefes Koma versetzt, damit er sich nicht bewege.

Wir saßen lange an seinem Bett und hielten seine Hände. Er hatte keine weiteren Verletzungen, "nur" der Kopf. Die Ärztin, die ihn operiert hatte, erklärte uns, dass es "nicht gut" aussähe. Sie hätten ihn nur operiert, weil er so ein junger, gesunder Mensch sei. Sie machten uns eigentlich keine Hoffnung. Aber wir wollten es nicht glauben.


Wir beschlossen dann, in Franzys Wohnung zu fahren, wir konnten jetzt nichts für ihn tun. Am nächsten Morgen waren wir froh, dass in der Nacht kein Anruf mehr kam. Wir hofften, wenn er die erste Nacht übersteht, dann würde er es schaffen.


Gleich nachdem wir ankamen, wollten die Ärzte mit uns sprechen. Der Arzt erklärte uns, dass sein Herz es nicht mehr schaffe, Blut ins Gehirn zu pumpen. Der Druck der Schädeldecke auf das verletzte und stark geschwollene Gehirn sei zu stark.


In dem Moment war mir klar, dass Jacob es nicht geschafft hatte. Ich sah den Arzt an und sagte "Und jetzt kommt die Frage nach der Organspende?" Der Arzt sagte, die Frage würde er jetzt noch nicht stellen wollen, aber später. Es müssten noch Untersuchungen gemacht werden. Zwei unabhängige Neurochirurgen waren bereits zu dem gleichen Ergebnis gekommen. Jacobs Körper "lebte" nur noch durch die Maschinen. Es wurde noch ein letztes CT gemacht, welches die Diagnosen der Ärzte bestätigte.

Von da an lief alles nur noch wie im Film ab. Wir stimmten einer Organentnahme zu, weil wir uns sicher waren, dass Jacob das gewollt hätte.


In der Zwischenzeit waren viele Freunde von Jacob und viele Familienmitglieder gekommen. Sie alle konnten sich von Jacob verabschieden. Sie dürften ihn sehen, wenn sie wollten. Aber keiner konnte sich wirklich verabschieden, im Sinne von "miteinander reden".


Das Team der DSO (Deutsche Stiftung Organtransplantation) kam, um alles in die Wege zu leiten. Der zuständige Arzt erklärte uns alles, unsere Fragen wurden beantwortet und es wurde gesagt, wir hätten so viel Zeit, wie wir bräuchten. Wir konnten entscheiden, wann wir uns von unserem Sohn verabschiedet hatten.


Den ganzen Nachmittag und Abend kamen Freunde von Jacob und Verwandte, die sich verabschieden wollten. Sogar einige Eltern der Freunde waren dabei. Nachdem sich alle verabschiedet hatten, sagten wir dem Team vom DSO, dass wir jetzt gehen würden und sie ihre Arbeit machen könnten.


Wir fuhren wieder in die Wohnung unserer Tochter und versuchten die Freunde, die wir bisher nicht erreichen konnten, anzurufen. Irgendwann schliefen wir vor lauter Erschöpfung ein. Am Morgen dachten wir alle, wir müssten jetzt ins Krankenhaus zu Jacob fahren, aber wir wussten, dass das nicht mehr möglich war.


Sowohl das medizinische Personal des Krankenhauses als auch das Team der DSO hatten uns gut betreut. Das Ärzteteam hatte alles getan, um Jacobs Leben zu retten und das Team der DSO hatte uns gut aufgeklärt und uns ausreichend Zeit und Raum für den Abschied gegeben. Jacob wurde in ein Einzelzimmer verlegt, damit wir uns in Ruhe verabschieden konnten. Am ersten Abend wurden wir auch immer wieder mit Kaffee und Wasser versorgt. Ob es am zweiten Tag auch so war, weiß ich nicht mehr.


Es hat uns unheimlich geholfen, dass Jacobs Freunde alle kommen durften und dass wir so nicht alleine waren.


Als wir dann zwei Tage später beim Bestatter waren, fühlten wir uns auch dort gut aufgehoben. Es wurde uns angeboten unseren Sohn noch einmal sehen zu können. Mein Mann und meine Tochter wollten es nicht. Ich sagte, dass ich es mir noch überlege. Es dauerte alles lange, da Jacob ja erst noch in die Gerichtsmedizin zur Obduktion gebracht wurde. Am 11. Oktober kam dann der Anruf, dass wir ihn beim Bestatter noch einmal sehen könnten.


Ich fuhr alleine hin. Für mich war es gut ihn noch ein letztes Mal gesehen zu haben, obwohl ich wusste, dass sein Herz nicht mehr da war, wo es ein sollte. Ich wusste aber auch, dass er vier Menschen ein besseres Leben ermöglicht oder sogar das Leben gerettet hatte. Es war gut für mich, ihn so noch einmal gesehen zu haben. Wir hatten ihm seinen Anzug, den er zu den Bewerbungsgesprächen an hatte, anziehen lassen. Sie hatten ihn so hergerichtet, dass man die Wunde am Kopf nicht sah. Ich hatte ihm ein Bild von uns, eine Sonnenblume und einen Fahrradhelm auf seinen letzten Weg mitgeben können.

Teil 3: Abschied von Jacob

Da unser Sohn vom Krankenhaus direkt in die Gerichtsmedizin überführt wurde, wo er obduziert wurde, konnten wir erst mal gar nichts weiter machen. Vom Bestatter wurde uns angeboten, Jacob noch einmal sehen zu können. Es vergingen 11 Tage, bis unser Sohn aus der Gerichtsmedizin abgeholt werden konnte.

Wir hatten Sachen für ihn beim Bestatter abgegeben. Wir entschieden gemeinsam, dass er seinen Anzug anbekommen sollte, den er sich für seine Bewerbungsgespräche gekauft hatte. Wir hätten ihm aber auch seine Basketball-Sachen anziehen lassen können.

Jacob wurde beim Bestatter gewaschen und angekleidet und in den Sarg gebettet. Als er fertig gemacht war, wurden wir vom Bestatter angerufen, dass wir jetzt kommen könnten um ihn noch einmal zu sehen. Mein Mann und meine Tochter wollten es nicht, also fuhr ich alleine hin und nutzte die Gelegenheit, meinen Sohn ein letztes Mal zu sehen und mich endgültig von ihm zu verabschieden. Jacob lag im Sarg. Er war gut zurechtgemacht, die Haare waren gewaschen und gekämmt und die Wunden am Kopf  waren, so gut es ging, durch die Haare verdeckt.

Ich hatte Jacobs Fotoapparat mitgenommen, um ein paar letzte Fotos von ihm zu machen. Franzy hatte darum gebeten, weil sie sich unsicher war, ob sie mitkommen sollte oder nicht. Die Fotos hatte sie sich dann einige Wochen später angesehen.


Die ersten formalen Schritte haben wir selbst unternommen. Meine Schwester hat uns zu allen Stellen hingefahren (Friedhof, Bestatter, Steinmetz usw.) und uns auch begleitet. Keiner von uns war in der Lage, selbst Auto zu fahren.


Wir hatten alle Entscheidungen gemeinsam getroffen. Die angebotenen Urnen sagten uns allen nicht so recht zu, aber wir konnten unsere Vorstellungen äußern und so wurde es dann auch gemacht. Wir wollten eine weiße Urne mit einem blauen Rand, die dann extra für Jacob angefertigt wurde.


Die Trauerfeier wurde vom Bestatter organisiert. Er empfahl uns einen Redner, mit dem wir uns trafen, um dann zu entscheiden, ob er der "Richtige" sei. Der Redner war 82 Jahre alt, Jacob war nicht mal 24 Jahre alt geworden! Wir entschieden, dass der empfohlene Redner die Rede halten solle. Jacob hatte kein Problem mit älteren Menschen, er hatte sie geachtet. Wir bereiteten die Rede gemeinsam gut vor. Von uns hätte diese Rede niemand halten können. Wir saßen einige Stunden zusammen, um dem Redner Jacob nahe zu bringen. Wir zeigten Fotos und Videos, erzählten ganz viel von Jacob, und so lernte der Redner Jacob kennen und hielt dann eine gute Rede. Während dieser Vorbereitung gab es sogar Momente, in denen wir lachen konnten, einfach weil die Erinnerungen so lebendig waren.


Die Trauerfeier war am 24. Oktober – 24 Tage nach Jacobs Tod und zwei Tage vor seinem 24. Geburtstag. Die Feier sollte erst am 21. Oktober stattfinden, aber an diesem Tag war in dem Restaurant, in welches wir nach der Beisetzung gehen wollten, eine Hochzeitsfeier. Also einigten wir uns auf den 24. Oktober. Für Jacobs Freundin war dieses Datum denkbar ungünstig, es war ihr erster Studientag, aber es ging nicht anders, wir wollten die Beisetzung zeitlich vor seinem Geburtstag haben. Somit hatte seine Freundin an ihrem ersten Studientag auch ihren ersten Fehltag.


Die Trauerkarten und auch die Danksagungskarten hatte ich selbst gestaltet und ausgedruckt. Damit hatte ich einige Tage zu tun. Aber es tat mir sehr gut, dies selbst zu machen. Wir hätten das auch alles über das Bestattungsinstitut machen lassen können, aber das wollten wir nicht.

Die Feierhalle auf dem Friedhof war viel zu klein. Es waren 50 Plätze da, die alle belegt waren und ca. 80 Personen standen draußen vor der Halle. Die Rede und die Musik wurde nach draußen übertragen, was leider nicht ganz fehlerfrei klappte.


Die Rede wurde aufgezeichnet und uns später ausgedruckt ausgehändigt und konnte so noch an alle verteilt werden. Ich selbst hatte die gesamte Trauerfeier auch als MP3 aufgezeichnet. Die Gestaltung der Halle, die Anordnung der Blumen und alles Drumherum stimmte. Darum brauchten wir uns nicht zu kümmern.


Die Trauerfeier war sehr würdevoll und entsprach unseren Vorstellungen. Wir konnten Jacobs Lieblingsmusik abspielen, es waren fünf Titel, die in die Rede eingebettet waren.


Mit dem Wissen von heute hätte ich die Trauerfeier genau so wieder gemacht. Allerdings hätte ich vielleicht auch ein Angebot angenommen, Jacob noch einmal nach Hause zu holen und ihn selbst anzukleiden usw. So ein Angebot gab es damals nicht. Ich weiß auch nicht, ob wir es dann letztendlich gemacht hätten, aber ich hätte es schon gern gewollt, denke ich heute. Deshalb nutzte ich auch das Angebot, Jacob noch einmal im Sarg zu sehen. Ich weiß aber, dass meine Familie es eigentlich nicht gewollt hätte. Aber wie gesagt, so ein Angebot gab es nicht.


Wir hatten überlegt, wo Jacob beigesetzt werden soll. Er lebte wieder in Berlin und wir in Wildau (in der Nähe Berlins). Unsere Tochter war der Meinung, er sollte in Berlin beerdigt werden. Aber ich wollte ihn hier bei uns in der Nähe haben. Der Friedhof ist 1,5 km von unserem Haus entfernt und so kann ich jederzeit hingehen. Ich wollte nicht, dass ich mich erst ins Auto setzen muss, wenn ich zu Jacobs Grab will. Für mich ist es nun der fast tägliche Spaziergang. Es ist ein Urnengrab und für uns Eltern steht fest, dass wir auch dort beerdigt werden, wer auch immer als nächster geht. Wir einigten uns alle gemeinsam auf diese Grabstelle.

Die Urne hätten wir nicht zuhause haben wollen. So ist es gut und seine Freunde können auch zu seinem Grab gehen, und sie können uns dann auch besuchen, oder wir gehen gemeinsam zum Grab.


Da Jacob ja bei einem Verkehrsunfall in Berlin ums Leben kam, haben wir dort an der Unfallstelle ein Kreuz mit seinem Namen aufgestellt, und es sind dort auch immer Blumen und eine Kerze. Viele seiner Freunde gehen zu diesem Ort. Jeden Jahrestag treffen wir uns dort mit seinen Freunden an dem Tag und zu der Zeit, als der Unfall geschah. Und es kamen auch in diesem (3.) Jahr viele von seinen Freunden. Für uns ist es ganz wichtig, den Kontakt zu Jacobs Freunden zu halten.

Teil 4: Das Zusammengehörigkeitsgefühl war überwältigend

Unmittelbar nach der Trauerfeier gingen wir mit vielen Freunden von Jacob und von uns in ein Restaurant, wo wir noch einige Stunden beisammen saßen. Es waren ca. 100 Personen. Wir hatten den Saal des Restaurants für uns gebucht. Im Anschluss daran gingen wir zu uns nachhause, wo der engere Familienkreis noch beisammen war. Am Abend gingen wir alle gemeinsam noch in ein Restaurant. Es war sehr wichtig für uns, an diesem Tag nicht alleine zuhause sein zu müssen.

 

Die meisten Personen in unserem Umfeld sind uns empathisch und verständnisvoll begegnet. Allerdings gab es auch ein Familienmitglied, welches keine Empathie aufbringen konnte und uns damit sehr verletzte. Diese Person hätte einfach nur kommen sollen, ohne etwas zu sagen, einfach da sein, aber dazu war sie nicht in der Lage. Zu dieser Person besteht heute auch kein Kontakt mehr. Es ist sehr schade, in einer solchen Situation auch noch Erfahrungen dieser Art machen zu müssen.

 

Von Seiten der Ämter und Behörden hatten wir nur einmal eine nicht so gute Erfahrung, als wir den Erbschein beantragen mussten. In den meisten Fällen wurde uns zumindest Verständnis und Mitgefühl entgegengebracht. Manche behördlichen Sachen gingen erstaunlich unbürokratisch, bei anderen war es etwas aufwendiger.

Am meisten haben uns meine Schwester und ihr Mann geholfen. Meine Schwester blieb 14 Tage bei uns und erledigte alle notwendigen Wege mit uns. Ihr Mann kam jeden Abend nach der Arbeit und kochte für uns alle. Wir hätten sonst bestimmt nichts gegessen. Am Wochenende kam ein Großteil der Familie zu uns. Es war ganz wichtig für uns alle, dass wir beisammen waren. Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl war überwältigend für uns. Für unseren Sohn war der Kontakt zur Familie immer ganz wichtig gewesen. An diesem Abend kochte ich Jacobs Lieblingsessen. Es hatten alle davon gegessen, auch die, die es eigentlich nicht so mochten.

Das schrecklichste Gefühl ist die Endgültigkeit. Zu wissen, dass man das eigene Kind nie wieder sehen wird. Mit dem Tod des Kindes stirbt die Zukunft.

Nach dem Tod meines Vaters und meiner Mutter ließ die Trauer irgendwann nach und ich konnte ohne Trauer an meine Eltern denken. Es dauerte jeweils auch eine Weile, aber schon einige Zeit nach der Beisetzung wurde es besser. Ich dachte, bei unserem Sohn würde es auch so sein. Aber heute, nach drei Jahren, weiß ich, dass das nicht geht. Es ist eine ganz andere Situation, ob man die Eltern oder das eigene Kind beerdigt hat. Heute weiß ich, dass sich unser Leben geändert hat und dass es nie wieder so sein wird, wie es vorher war. Die Trauer bleibt, sie verändert sich, die Zeit spielt eine Rolle dabei. Aber die Trauer und die Liebe zu meinem Sohn wird immer bleiben. Das Wichtigste in der Zeit der Trauer, ist die Liebe zu seinem Kind zu spüren, denn Trauer ist nichts andres als Liebe.

Wir bedanken uns ganz herzlich bei Astrid Burkhardt. Astrid Burkhardt ist 53 Jahre alt, verheiratet und lebt in Wildau (Brandenburg). Sie ist Betreuerin in einer Mutter-Kind-Einrichtung.

Stumm ... beim Lesen wird man ganz still. Es wird alles nachvollziehbar und klar. Auch, dass diese Trauer nie ein Ende haben wird, wie es Astrid Burkhardt selbst geschrieben hat. Nur eines kann den Schmerz geringfügig lindern: Wenn Menschen sensibel und umsichtig erst die notwendigen und später die langjährigen Prozesse begleiten.

Vielen DANK für diesen guten Erfahrungsbericht. Wir wünschen Euch alles Gute!

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Kommentare: 4
  • #4

    Stefans Ma Anna Maria (Dienstag, 17 März 2015 09:41)

    Liebe Freunde im großen Leid,
    tief ergriffen habe ich alle leidvollen Zeilen gelesen und fühle tief mit euch allen,
    Vor 8 1/2 hat uns unser Sohn auf dieser Erde verlassen.
    Kein Tag ohne und mit Stefan .
    Die Trauer, der Schmerz, die Sehnsucht bleibt, stets und innig.
    " Gott sammelt all unsere Tränen in einem Tränenkrug,
    Ich weiß, er zählt sie alle."
    Herzliche Grüße und Gottes Segen

    Anna Maria





  • #3

    *G* (Montag, 02 März 2015 19:58)

    Mir laufen Tränen über mein Gesicht. Eigentlich fehlen mir die Wort. Es gibt auch keine Worte die Euch trösten können. Ich bin unendlich traurig- Ich wünsche Euch ganz viel Kraft und viele liebe Menschen die Euch verstehen. (Mein Neffe ist 2008 mit 19 Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen.) In Gedanken bei Euch und Eurem Sohn!

  • #2

    Manja (Dienstag, 30 Dezember 2014 19:27)

    Es tut mir unendlich leid..mir stockte der Atem...ich bete das ihr weiterhin viel Liebe empfängt und Kraft habt euren Sohn missen zu müssen. Ich sende euch Liebe.

  • #1

    Anett (Dienstag, 30 Dezember 2014 16:29)

    Mein aufrichtiges Beileid.