22. Dezember 2015


Wach auf, Clara, wach auf … 

von Pascal Edelstein-Gehrmann

Am 06.03.2015 erblickte unsere Tochter Clara das Licht der Welt. Sie kam per Kaiserschnitt. Wir konnten es kaum erwarten, sie endlich zu sehen. Lange mussten wir nicht warten, da hörten wir ihr erstes Schreien und sie kam sofort zu uns. Ach, war das schön! Wir hatten Tränen in den Augen! Endlich war sie da! 

Ich ging später in die Kita, um ihre Geschwister abzuholen, damit sie Clara im Krankenhaus besuchen können. Beide waren aufgeregt und begrüßten ihre Schwester mit einem Kuss.

 

Nicht lange danach kamen Mama und Clara nach Hause – nach nur zwei Tagen waren sie beide bei uns. Wir haben uns so gefreut! Alle stürmten wir auf Clara und kuschelten gleich mal mit ihr, verteilten Küsse … Die Mama sah noch fertig aus vom Kaiserschnitt, aber meisterte das toll trotz ihrer Wunde. Da ich noch eine Woche Urlaub hatte, konnten wir viel Zeit verbringen mit unserer Clara. Am Wochenende stand dann auch schon die Willkommen-Party für Clara an. Die Familie und Freunde bestaunten sie, schlossen sie sofort in ihre Herzen und wir feierten unser Glück. Nach dem Trubel am Wochenende stand auch für mich der Alltag wieder an. An meinem ersten Arbeitstag warteten meine Kollegen voller Freude im Gesicht auf einen Bericht und Fotos von meiner Tochter.  Was habe ich geschwärmt von unserer süßen Maus! Es war immer wieder schön, nach Hause zu kommen und sie endlich wieder in die Arme zu schließen. Mit ihrem Lachen und ihren schönen Kulleraugen zauberte sie mir jeden Tag ein Lächeln ins Gesicht. 

 

Nach Ostern, Clara war vier Wochen alt, stand ihr Termin für die U3 an. Sie wog 3400 Gramm, war aber keinen Zentimeter gewachsen. Sie maß 49 cm – wie zu ihrer Geburt. Ihr Arzt teilte uns mit, dass unser Kind völlig gesund sei – das freute uns sehr.

 

Doch jetzt, das was folgt zu schreiben, wird mir schwer fallen und auch wehtun, denn dieser Tag sollte unser Leben verändern:

 

Der 08.04.2015, es war 4:00 Uhr morgens. Meine kleine Maus schrie. Ich ging zu ihr an das Bett,  nahm sie auf den Arm und mit zu mir ins Bett. Ich kuschelte mit ihr und sie schlief zusammen mit mir wieder ein, bis um 05:10 Uhr mein Wecker klingelte. Ich musste mich fertig machen und die Kinder. Um 5:40 schaute ich noch nach meiner Tochter. Sie sah so niedlich aus und schlief weiter ganz friedlich. Ein Kuss auf die Stirn, dann verließ ich das Haus. Die Kinder gab ich in der Kita ab. Ich fuhr mit der Straßenbahn zur S-Bahn und kam dabei noch einmal an unserer Wohnung vorbei. Ich merkte, dass es mir auf einmal nicht gut ging, ich ein mulmiges Gefühl hatte. 

 

Um 08:30 Uhr rief mich meine Frau an, sie war panisch und schrie: „Sie ist blau, sie atmet nicht mehr!“ - „Wiederbeatmung, Wiederbeatmung!“ schrie ich.

 

Sofort machte ich mich auf dem Weg nach Hause. Als ich dann da war, nickten die Ärzte mir nur noch zu … „Mein Beileid,“ hieß es nur … Mit weinenden Augen schrie ich: „Wo ist meine Frau? und Clara?“

Beide saßen sie auf Lottas Bett. Meine Frau sagte nur: „Willst du sie … ?“ Natürlich. Sie in meinen Arme zu halten und sie nochmal anzuschauen …  Ich sagte, „Wach auf, Clara, bitte, wach auf … Wir können nicht ohne dich.“ Ich streichelte ihr über das Gesicht. Ich konnte es nicht glauben … „Bitte, komm' zurück! Werde wach … bitte … Wir haben doch noch am Morgen gekuschelt. Los!  Werde wach …!“ sagte ich. 

 

Meine Frau erzählte mir, als sie um 8:00 Uhr aufwachte, hatte sie noch nach Clara geschaut. Sie schlief und atmete. Sie ging sich dann fertig machen und kam nach fünf Minuten wieder. Da lag sie da, blau angelaufen. Kein Atmen! Als meine Frau sie hoch nahm, fiel Clara in sich zusammen. Sie versuchte alles, um sie wieder zu beleben, auch die Ärzte, leider vergebens.

 

Dem Polizeibericht nach war unsere Tochter völlig gesund. Man teilte uns mit, dass Clara an plötzlichem Kindstod verstorben war.

 

Für uns als Familie ist das unbegreiflich und sie fehlt uns sehr. Sie hat eine riesige Lücke hinterlassen. Wir verstehen es einfach nicht und sind noch schockiert. Ihre Geschwister weinen, ihre Schwester fehlt ihnen sehr.

 

Man findet keine Worte dafür.

Wie ging es für uns weiter? Für uns war es ein harter, schwieriger und steiniger Weg. Unser 6-jähriger Sohn besucht eine Psychologin und meine Frau und ich sind getrennt in psychologischer Behandlung. Aufgrund des Todes unserer Tochter sind wir seit April krank geschrieben. Für unsere 3- jährige Tochter läuft es normal weiter, aber ihr wird es immer mehr bewusst, da sie viel über ihre Schwester Clara spricht. Grundsätzlich reden wir wenig mit unseren Kindern über Clara, nur wenn sie über sie sprechen möchten. Wir haben eine Gedenkecke mit Bildern wo wir jeden Abend Kerzen für Clara anzünden. Meine Ehefrau und ich gehen jeden Tag zum Friedhof, unsere Kinder jedes Wochenende – es sei denn beide sagen, sie haben das Bedürfnis hin zu gehen, was sie schon des Öfteren äußerten. 

 

 

Beide Kinder haben seit August Bilder von Clara neben ihrem Bett hängen, aber mein Sohn hat mich gebeten, das Bild wieder abzuhängen. Da sieht man, dass auch Kinder verschieden mit ihrer Trauer umgehen. Genau wie wir Erwachsenen. Wir trauern beide anders, ich als Ehemann unterdrücke eher meine Tränen vor meiner Ehefrau, und sie zeigt es mehr als ich. Ich fresse alles in mich rein und lenke mich mit Musik ab, die ich unterwegs höre. Allen Vätern rate ich, viel mit der Ehefrau/ Freundin über die Gefühle/ Trauer zu reden und auch den Tränen freien Lauf zu lassen.


 

 

In diesen Zeiten der Trauer helfen besonders unsere Kinder Max und Lotta, die mit ihrer guten Laune und ihrem Humor uns als Eltern ein Lächeln auf's Gesicht zaubern. Sowie unsere Freundin Andrea, die seit dem Tod unserer Tochter Clara ein wichtiger Bestandteil auf dem Weg der Trauer ist und immer an unserer Seite steht. Sie versteht uns, sie weiß, wie wir uns fühlen – die ganze Zeit über, auch jetzt noch. Dafür sind wir ihr als Familie dankbar.

 

Sie ist immer ein Teil unserer Familie. An Weihnachten werden wir alle gemeinsam mit Opa Dieter, Oma Melli und unsere Freundin Andrea zum Friedhof gehen. Kerzen anzünden und Geschenke und Blumen niederlegen. Auch sie soll das schönste Weihnachtsfest bekommen.

 

Wir lieben dich unsere Maus.

Wir bedanken uns bei Pascal Edelstein-Gehrmann für den anrührenden Bericht und die Offenheit, mit der er über seine Gefühle schreibt. 

Pascal Edelstein-Gehrmann und Susann Edelstein leben mit ihren Kindern Max (6) und Lotta (3) in Berlin. Um Eltern zur Seite zu stehen, die ein ähnliches Schicksal erleiden müssen wie sie, hat das Ehepaar kurz nach dem Tod ihrer Clara das Projekt „Sternenkinder – Die wir niemals vergessen“ ins Leben gerufen. Im Januar 2016 wird „Sternenkinder“ als gemeinnütziger Verein eingetragen und bietet dann auch Beratungen zur Vorbeugung von plötzlichem Kindstod an. 

 

www.sternenkinder-hilfe.de

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Kommentare: 4
  • #1

    silber woelfin (Dienstag, 12 Januar 2016 20:57)

    R.I.P. ... kleine clara, wir alle denken an dich und können die trauer deiner mama und papa und deiner geschwister si gut verstehen ... ich hätte dich gerne kennen gelernt, aber nun passen david & erik auf dich auf, sie werden dir alles beibringen, was du wissen musst und möchtest! kleine clara, wir alle denken tag für tag an dich ... mach's gut <3

  • #2

    Gabriela Shola (Samstag, 07 Januar 2017 04:01)

    Ruh ein Frieden kleine Engel Prinzessin....Du schaust mit Darius und viele anderen Engel auf uns runter. Machts gut da oben.���

  • #3

    Angelina (Donnerstag, 27 August 2020 01:57)

    Ich habe fast genau das selbe vor kurzem mit meiner 3,5 monat alten Schwester erlebt.. es schien alles gut zu sein und dann war es vorbei. Mein aufrichtiges Beileid. Bin am googeln gewesen um nach Lösungen zu suchen um mit meiner Trauer klarzukommen und bin hierhin gestoßen. Mich hat das sehr berührt. Euere clara war so eine süße Maus. Mir geht das nah weil es bei uns wie gesagt fast genauso war.

  • #4

    Angelina (Donnerstag, 27 August 2020 01:58)

    Sie hat auch etwas Ähnlichkeit mit meiner verstorbenen Schwester �